Geschafft

#67 Annapurna Circuit – unterwegs im Himalaya

Nachdem wir alle Vorbereitungen abgeschlossen hatten, ging es für uns los – der Annapurna Circuit wartete schon auf uns! 🙂

Annapurna Circuit

Der Annapurna Circuit gilt als schönste Langstreckenwanderung der Welt. Trotz unserer recht geringen Wandererfahrung kann ich dem nur zustimmen. Die Strecke verläuft im Norden Nepals, an der tibetischen Grenze. Während des Wanderns durchläuft man quasi jede nur erdenkliche Klimazone – von den Tropen in den niedrigen Höhen von Besisahar, bis zu arktischen Bedingungen bei Thorong La Pass. Auch kulturell brachte einen der Trip, zumindest früher, durch Hindudörfer am Fuße der Berge, bis in die Bergdörfer der tibetischen Kultur. Durch den Bau einer Jeepstraße bis auf 3.500 m bzw. 3.800 m auf beiden Seiten des Passes und durch den Einfluss des Tourismus, hat sich dies zwar etwas vermischt, ist aber nicht ganz verloren gegangen. Dazu kommt die geniale Aussicht auf unzählige Berggipfel, wie Annapurna I, II, III und IV (alle zwischen 7.535 m und 8.091 m hoch), aber auch Machapuchare (6.998 m), Dhaulagiri (8.167 m), Tilicho Peak (7.134 m) und viele weitere der höchsten Berge der Welt, die diesen Trail unvergesslich machen. Während fast des ganzen Trecks läuft man übrigens entlang einer riesigen Schlucht, in der ein Gebirgsfluss fließt, welcher immer wieder von riesigen Wasserfällen und kleinen Bächen gespeist wird.

Annapurna

Tag 1: Kathmandu – 1.300 m

Wir starteten am 23.03.19 in Kathmandu. Dort haben wir zuvor alle nötigen Dokumente sowie unsere Ausrüstung besorgt und mit den Einheimischen das Holifest gefeiert. Nach fünf tollen Tagen in der Stadt brachte uns der Chef unseres Hotels zum Hauptbusbahnhof von Kathmandu. Von dort aus fuhren wir mit einem Linienbus, etwa acht Stunden lang, nach Besisahar. Unser, für die Wanderung nicht benötigtes, Gepäck ließen wir im Hotel zurück. Sie bewahrten es freundlicherweise kostenlos für uns auf. Dafür verbrachten wir nach dem Treck noch ein paar Tage im Hotel. 🙂

Kathmandu Peace Home

Tag 2: Besisahar – 820 m

In Besisahar angekommen, hatten wir eigentlich vor, direkt loszuwandern und im ersten Dorf auf dem Treck zu schlafen. Doch wir waren von der langen Busfahrt so erschöpft, dass wir noch eine Nacht in der Stadt verbrachten.

Besisahar

Wir hatten hier von anderen Wanderern den Tipp bekommen, mit einem Jeep die ersten paar Dörfer zu überspringen und bis nach Jagat zu fahren. Der Anfang des Trecks sei wohl super langweilig und es nicht wert, seine Zeit zu verschwenden. Wir haben dem zugesagt und sind die ersten 25 km des Trecks gefahren. Im Nachhinein war das vermutlich eine falsche Entscheidung. Die Umgebung beim Vorbeifahren sah nämlich überhaupt nicht langweilig aus – im Gegenteil, sie war wirklich schön.

Tag 3: Enspannen in Jagat – 1.300 m

Wir kamen am frühen Nachmittag in Jagat an. Wir hatten eigentlich vor, noch 4 km, bis nach Chamche, zu laufen. Ein paar 100 m nach Jagat fanden wir aber eine schöne Unterkunft, von der man eine schier endlose Treppe hinunter zu einer heißen Quelle laufen konnte. Wir entschieden uns hier zu bleiben. Kurz vor der Quelle kam uns schon der charakteristische Schwefelgeruch entgegen. Das Wasser war so heiß, dass es mit eiskaltem Wasser aus dem Gebirgsfluss gekühlt werden musste.

Heiße Quellen

Der Besitzer unserer Unterkunft klärte uns später auf. Er hatte diese Quelle zusammen mit seinem deutschen Freund, einem regelmäßigen Besucher, gebaut und stellt sie nun allen Wanderern kostenlos zur Verfügung. Vermutlich werde er aber bald eine Gebühr verlangen. Im Sommer wird das Becken nämlich durch schmelzendes Eis und Monsunregen überschwemmt, weshalb er es immer wieder nachbessern muss.

Tag 4: Weg nach Tal – 1.700 m

Am nächsten Morgen brachen wir zum 13 km entfernten Karte auf. Die Natur war hier noch tropisch. Wir wanderten vorbei an Palmen und Bananenstauden, über Bäche und vorbei an Wasserfällen.

Nach 4 km erreichten wir Chamche, die Stadt, zu der wir eigentlich gestern wandern wollten.

Chamche

Nach dem Dorf kam unsere erste Flussüberquerung über eine der, in Nepal so berühmten, Hängebrücken. Es war windig geworden und wir hatten etwas Respekt vor der langen, wackeligen Brücke. Doch dieser schwand schnell der Faszination. Wir begannen uns über jede Brücke und die neue Perspektive, die eine Überquerung mit sich brachte, zu freuen.

Nach der Brücke begann der Anstieg nach Tal. Ungefähr zwei Stunden vor dem Dorf begann es laut zu donnern und winden. Kein gutes Zeichen. Etwa eine halbe Stunde später begann es zu regnen. Wir hatten gepokert und keine Regenjacken gekauft. Der obere Teil des Trecks befindet sich nämlich im Regenschatten der großen Berge. Dort regnet es sogar während der Monsunzeit nur sehr wenig. In Kathmandu hatte man uns auch aufgeklärt, dass es zur jetzigen Zeit kaum Niederschlag gäbe und dass, selbst wenn die Vorhersage Regen verspricht, es auf dem Treck trotzdem nur selten regnet (was sich auch bewahrheiten sollte). Nun hatten wir aber den Salat. Schnell schützten wir wenigstens unsere Rucksäcke mit dem integrierten Regenschutz. Gut, dass wir wasserdichte Schuhe hatten.

Wir stampften durch den Matsch, bis wir den Ort Tal erreichten. Kurz vor dem Ziel wurde der Regen immer stärker. Wir entschieden uns, hier zu bleiben – eine gute Entscheidung. Das folgende Gewitter hatte das Internet in der Region für die nächsten zwei Tage lahmgelegt.

Tag 5: Weg nach Danakqu – 2.200 m

Vor dem Schlafengehen waren wir immer duschen – den ganzen Treck über übrigens mit warmem Wasser. 🙂 Dabei haben wir immer Kleider von Hand mitgewaschen. Diese haben wir über Nacht und tagsüber, während des Wanderns, trocknen lassen. Dafür knoteten wir sie mit Schnürsenkel an unseren Rucksack. An diesem Tag hatten wir, aufgrund des Wetters, besonders viele Kleider zum Trocknen. Leider regnete es, als wir loswanderten, immer noch, wenn auch nicht mehr so stark wie am Tag zuvor. Der Besitzer unserer Unterkunft in Tal verkaufte uns je einen Regenmantel. Nun hatten wir sie also doch. Nach einer Stunde wandern hörte der Regen aber auf. Wir hatten Glück. Entgegen der Wettervorhersage regnete es sonst an keinem weiteren Tag. Ein sehr sinnvoller Kauf… 😛

Wanderweg

Von unserem Weg aus konnten wir die Jeepstraße sehen.

Straße

In Danakqu angekommen, hatten wir das gesamte Teehaus, wie die Unterkünfte meist bezeichnet werden, für uns alleine. Die Besitzer luden uns ein, mit ihnen in der Küche zu sitzen. Um das Ofenfeuer ist es schließlich wärmer. Denn auch wenn wir tagsüber im T-Shirt wandern konnten, wurde es, sobald die Sonne weg war, eiskalt.

Nepali Küche

Tag 6: Weg nach Chame – 2710 m

Als wir am nächsten Morgen aufwachten, waren wir erstmal von der Aussicht aus unserem Zimmer überrascht. Da es, als wir hier angekommen waren, etwas neblig war, hatten wir es noch nicht realisiert: Hier sahen wir unsere ersten schneebedeckten Berge. 🙂

Aussicht

Wir füllten unsere Wasserflaschen an einem Wasserfall hinter dem Dorf auf, behandelten das Wasser mit Chlortabletten und brachen auf.

Wasserfall

Kurz hinter dem Wasserfall sahen wir, total unerwartet, sogar ein paar Affen. In dem Gebiet gibt es neben Affen auch Bären und sogar Schneeleoparden. Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, eines der Tiere vor die Linse zu bekommen. Glück gehabt. 🙂

Affe

Nach ein paar Höhenmetern hatten wir einen tollen Ausblick auf Chame und die im Hintergrund liegenden Berge.

Aussicht

Ein paar Kilometer weiter teilte sich der Weg. Man konnte nun entweder auf der Jeepstraße weiter laufen oder einem kleinen Pfad durch den Wald folgen. Wir entschieden uns für den Pfad, um dann aber nur zehn Minuten später wieder umzudrehen. Wir hatten gerade eine Pause gemacht, als uns mehrere Wanderer entgegen kamen. Sie hatten eine gute und eine schlechte Nachricht für uns. Die schlechte war, dass eine Hängebrücke bei dem Sturm vor zwei Tagen beschädigt wurde und nicht mehr passierbar war. Die gute war, wir sind noch nicht den kompletten Weg bis zur Brücke gelaufen. 😀 Glück gehabt. Also kehrten wir um und wanderten auf der Jeepstraße weiter. Nach offiziell 5 km (Unser GPS zeigte immer wesentlich mehr an, als die Karte. Doch ich bleibe hier mal bei den offiziellen Angaben.) kamen wir in Timang an, wo wir Mittag aßen.

Hüttte

Danach waren es (offiziell 😛 ) nur noch 7 km bis nach Chame. Wir aßen aber so viel, dass wir kaum voran kamen. Hier entschieden wir uns dazu, mittags nur noch Tomatensuppen mit tibetischem Brot zu essen. Unser offizielles Annapurna Circuit Essen. 😉

Zum Glück war die nächste Brücke, kurz vor dem Ziel, noch ganz.

Brücke

Tag 7: Weg nach Dhukur Pokhari – 3.240 m

Den nächsten Tag begannen wir, wie die meisten anderen auch, mit einem Segen. Fast alle Dörfer bieten Massen an buddhistischen Gebetsrädern. Die mit buddhistischen Mantras versehenen Zylinder sollen beim Drehen negatives Karma auflösen und positives übertragen. Kann nicht schaden. 😉

Gebetsräder

Offensichtlich hat es aber nicht so viel gebracht wie erhofft. Juliane ging es nach nur ein paar Kilometern nicht gut. Sie hatte Bauchkrämpfe und ihr war übel, weil sie wohl mit der letzten Mahlzeit zu kämpfen hatte. Die Karte zeigte Bhratang als nächstes Ziel an. Es war zwar als sehr kleines Dorf markiert, doch hörten wir, dass Bhratang das Apfelparadies Nepals sei. Dort gebe es wohl riesige Apfelanbaugebiete. Daher könnte es nicht so schlimm sein.

Wir pausierten direkt neben dem Gebirgsfluss und behandelten Juliane mit Kohletabletten.

Aussicht

Sie quälte sich anschließend insgesamt 7 km bis nach Bhratang. Dort angekommen, erfuhren wir, dass es hier nur eine Unterkunft gibt und diese 50 $/Nacht kostet. Ein horrender Preis, wenn man berücksichtigt, dass die meisten Unterkünfte auf dem Circuit kostenlos sind, wenn man sowohl Abendessen, als auch Frühstück mitkonsumiert. Wir haben ab und zu zwar noch ein bis zwei Euro für ein privates Zimmer bezahlt, aber 50 $ ist einfach lächerlich.

Wir aßen eine Tomatensuppe mit tibetischem Brot. Bis zum nächsten Ort waren es 6 km und 400 Höhenmeter. Nach der Pause meinte Juliane aber, dass es ihr etwas besser gehe und wir das schon schaffen würden. Also machten wir uns wieder auf den Weg. Langsam aber sicher erreichten wir so Dhukur Pokhari. Auf dem Weg dorthin sahen wir sogar unser erstes Eis. Wir kamen also immer höher. 😉

Fluss

Tag 8: Weg nach Humde – 3.330 m

Die Entscheidung, nach Dhukur Pokhari weiterzulaufen, war eine gute. Dort hatten wir eine Unterkunft mit Dachterrasse, von der wir beim Frühstück eine tolle Aussicht genießen durften. :O

Beim Wandern merkten wir dieses Mal die Höhe. Etwa die Hälfte der offiziellen 13 km nach Humde lagen auf einer, der Sonne abgewandten, Seite eines Berges. Es war sehr windig und uns wurde etwas kalt. Letztlich kam eine Kurve mit einem kleinen Tempel, die uns wieder zur warmen Sonne brachte.

Tempel

Nach dieser Kurve konnten wir sogar schon unser Ziel sehen. Humde hat nämlich einen kleinen Flughafen, dessen Landebahn schon aus der Ferne erkennbar war. Das gab nochmal Motivation.

Humde

Auf dem Weg dorthin sahen wir sogar ein paar Steinadler. Den riesigen Vögeln begegneten wir tatsächlich ein paar mal auf dem Treck.

Adler

Das Teehaus in Humde gehörte einer Familie. Die kleine Tochter war ganz begeistert von uns. Sie konnte eine Handvoll englischer Wörter sprechen und brachte uns ihre selbst gemalten Bilder. Dabei zeigte sie auch ein Minion-Malbuch. Sie war ganz überrascht, als Juliane auf ihr Minion-T-Shirt deutete. Auch von dieser Familie wurden wir dann zum Essen in die Küche eingeladen.

Küche

Tag 9: Weg nach Manang – 3.540 m

Diese Etappe war mit (offiziell) nur 8 km eine recht kurze. Manang ist die größte Stadt auf der Seite des Passes und bildet gleichzeitig auch das Ende der Jeepstraße. Es wird empfohlen, einen weiteren Tag zur Akklimatisierung in Manang zu verbringen, bzw. einen der vielen Sidetrecks zu machen. Wir hatten uns überlegt, entweder einen Tagesausflug zum „Ice Lake“ zu machen oder über mehrere Tage zum „Lake Tilicho“, dem höchsten See der Erde, zu gehen. Der Weg zum zweiten See war aber leider noch nicht freigegeben. Nepal hatte nämlich einen der härtesten Winter der Geschichte hinter sich, weshalb die hohen Gebiete noch voller Schnee waren und Lawinengefahr herrschte. Da wir aber die letzten Tage ungefähr auf derselben Höhe verbracht hatten, entschieden wir uns die Akklimatisierung auszulassen.

Wir wanderten den direkten Weg nach Manang.

Juliane läuft

Dort angekommen, wurden wir von einem riesigen Sendemast empfangen. Wir freuten uns darauf, endlich wieder einen Nachmittag mit gutem WLAN verbringen zu können. Allerdings hatten wir an diesem Tag fast durchgehend Stromausfall. Daher schlugen wir die Zeit tot, indem wir im Kerzenlicht Karten spielten.

Tag 10: Weg nach Yak Kharka – 4.050 m

Über 3.000 Höhenmetern sollte man maximal 500 Höhenmeter pro Tag aufsteigen, um einer gefährlichen Höhenkrankheit vorzubeugen. Daher hatten wir auch bei dieser Etappe mit offiziell 9 km ein machbares Ziel. Die 9 km wurden durch die Höhe und die Steigung allerdings doch nicht ganz so einfach.

Wir verließen Manang. Dabei bot sich uns ein wirklich einmaliges Bild von einem kleinem See vor Annapurna III.

Annapurna

Von dem Fluss, der uns die ganze Zeit begleitete, mussten wir uns nun langsam verabschieden.

Annapurna Fluss

Nun war ich dran. Ich hatte starke Bauchschmerzen und mir war kotzübel. Wir machten eine Pause und genossen die Aussicht, während auch ich Kohletabletten einnahm.

Als wir weiter aufstiegen, wurde es tatsächlich so kalt, dass wir zum ersten Mal unsere Daunenjacken auspacken mussten.

Kalt

Selbst die Yaks, die überall auf dem Treck herumlaufen, hatten sich auf dieser Höhe ein längeres Fell zugelegt.

Yak

In Yak Kharka angekommen, hatten wir zum ersten Mal das Gefühl, in einem Teehaus nicht willkommen zu sein. Vermutlich lag es daran, dass die Unterkunft bis auf das letzte Zimmer voll war und die Eigentümer alle Hände voll zu tun hatten. Aber auch am nächsten Morgen, als wir, wie immer als letztes, die Unterkunft verließen, waren sie wirklich nicht nett.

Das ganze Haus war voll mit Wanderern und ihren Führern und Schleppern. Diese kann man sich als Unterstützung, für den Treck, buchen. Wir haben uns aber bewusst gegen einen Führer entschieden, um unabhängig zu sein und damit unsere Wanderung eher einen Abenteuercharakter hat. Ein Führer ist auf diesem Treck aber auch wirklich unnötig. Wer sich hier verirrt, muss schon sehr verwirrt sein. Wer dem rot-weißen Pfeil folgt, kann nicht vom Weg abkommen. Und ein Schlepper beim Wandern? Wo ist da die Herausforderung? Juliane hatte einen 8 kg schweren und ich einen 10 kg schweren Rucksack. Wer einen Treck in dieser Schwierigkeitsstufe angeht, sollte das tragen können. Trotzdem haben wir massenhaft Schlepper gesehen, die locker 50 kg transportiert haben. Mit Schnüren binden sie sich vier bis fünf Taschen zusammen und tragen sie mit Hilfe eines Gurtes, der auf die Stirn gelegt wird – eine unglaubliche Leistung. Wir würden uns aber wie Sklaventreiber fühlen. Wer seinen Rucksack nicht selbst tragen kann, hat zu viel eingepackt! 😉

Tag 11: Weg nach Thorong Phedi – 4.450 m

Auch am nächsten Tag hatten wir mit offiziell 8 km eine kurze Strecke mit gut 400 Höhenmeter vor uns. Wir hatten schon lange jegliche Vegetation hinter uns gelassen. Mit etwas Glück fand man noch ab und zu einen kniehohen Busch. Der Weg bestand nun entweder aus Schnee und Eis oder aus Geröll – je nachdem, ob man sich auf der sonnenab- oder zugewandten Seite eines Berges befand.

Weg

Unserer beider Mägen hatten sich immer noch nicht ganz erholt, weshalb es zum Abendessen nur gesalzene Pellkartoffeln gab. Damit kann man nichts falsch machen. Thorong Phedi sollte unser Ausgangspunkt für die Passüberquerung werden. Daher gingen wir früh schlafen.

Tag 12: Die Überquerung von Thorong La Pass – 5.416 m

Wir standen um 3:00 Uhr morgens auf. Die Unterkunft hatte eine eigene Bäckerei! Daher gab es zum Frühstück diesmal kein Apfelporridge, sondern Marmeladenbrot, eine willkommene und sehr leckere Abwechslung. Wir nahmen uns noch je ein Snickers und ein Stück Apfelkuchen mit und brachen um 4:00 Uhr morgens, im Dunkeln, auf. Auf dieser Höhe gab es nur zwei Unterkünfte. Unser komplettes Haus machte sich ebenfalls um diese Uhrzeit auf den Weg. Insgesamt waren wir rund 30 Personen, die den Anstieg in Angriff nahmen. Das war gut. Denn in der letzten Nacht hatte es stark geschneit und wir hatten, im Gegensatz zu den meisten anderen, keine Crampons dabei. Also ließen wir alle passieren und liefen in deren Fußspuren, im Licht unserer Stirnlampen, den Berg nach oben, bis zum Highcamp. Das Highcamp ist der höchste Ort auf der Strecke, auf dem man schlafen kann. Allerdings wird davon abgeraten, da die meisten nicht einheimischen Menschen hier kein Auge zumachen können.

Highcamp

Wir erreichten das Highcamp zum Sonnenaufgang. Auf dem Weg dorthin kamen uns bereits wieder fünf Personen entgegen. Sie mussten abbrechen, da sie mit der Höhe nicht klar kamen. Wir trafen ein paar der anderen im Highcamp. Viele überlegten sich, ob sie wirklich weiterlaufen wollen und können. An diesem Tag war es extrem windig. Da es in der vorherigen Nacht geschneit hatte, peitschte der Wind den Pulverschnee in die Gesichter der Wanderer. Die anderen schienen sich darauf geeinigt zu haben, bis zum nächsten Tag im Highcamp auf besseres Wetter zu warten. Doch das kam für uns nicht infrage. Wir hatten keinerlei saubere Kleidung mehr übrig, wussten, dass egal wie gut das Wetter ist, das hier hart werden würde und vor allem hatten wir keine Lust, noch einen Tag und eine Nacht in dieser Kälte zu bleiben. Also gingen wir weiter.

Diese Entscheidung motivierte die anderen ebenfalls weiter zu gehen, was gut für uns war. So hatten wir tiefere Fußspuren. 😛

Wind

Wir gingen den Aufstieg sehr langsam an. Normalerweise sollte man vor 11:30 Uhr oben auf Thorong La Pass sein. Meistens ziehen spätestens um diese Uhrzeit Wolken auf, was die Sicht an der Spitze sehr, sehr einschränkt und das ganze Prozedere erschwert. Doch wir waren erschöpft. Wir hatten kaum geschlafen, wenig gegessen und Probleme mit unseren Mägen. Dazu kam, dass wir begannen, Anzeichen der Höhenkrankheit zu spüren. Wie bereits erwähnt, sollte man, sobald man über 3.000 Höhenmetern ist, maximal 500 m pro Tag aufsteigen. Wir hatten für diese Etappe allerdings einen 1.000 Höhenmeter- Aufstieg, gefolgt von einem direkten 1.600 Höhenmeter-Abstieg vor uns – das alles auf einer Distanz von (offiziell) 17 km. Wir führten daher eine Schmerzskala von eins bis zehn ein. Sobald das Stechen im Kopf oder die Übelkeit einen Schmerz von über acht erreicht, müssen wir wieder absteigen. Um das zu verhindern, wanderten wir, wie erwähnt, sehr langsam und legten alle paar Minuten eine kurze Pause ein.

Pause

Eine Gruppe von fünf Russen hatte, als einzige, etwa unser Tempo. Während der Pausen redeten wir etwas und erhielten so, aufgrund unserer Mützen, die Spitznamen „Elefant“ und „Bär“. 🙂

Bär

Auch wenn wir während des 1.000 Höhenmeter- Aufstiegs nur 6 km Distanz zurücklegen mussten, zog sich der Weg ewig. Wir hatten die letzten beiden Tage keinen Strom, weshalb wir die Offline-Karten unserer Handys nicht als GPS nutzen konnten. So wussten wir nicht, wann wir es endlich geschafft haben. Während des Weges trafen wir insgesamt drei Einheimische und alle sagten uns eine andere Dauer für den restlichen Weg voraus. Beim Highcamp sagte man uns, noch zweieinhalb Stunden laufen. Zwei Stunden später waren es plötzlich drei weitere Stunden. Etwa eine halbe Stunde später sagte man uns nochmals drei Stunden. Genauso verhielt sich der Weg. Jedes Mal, als wir einen vermeintlichen Gipfel sahen, entpuppte er sich beim Erreichen nur als kleiner Hügel und legte eine komplett neue Landschaft hinter sich offen. Wir dachten wirklich, der Pass käme nie.

kurz vor dem Pass

Doch dann hörten wir plötzlich einen der Russen, die uns inzwischen überholt hatten, laut „YES!“ schreien. Da war er! Thorong La Pass! Wir hatten es fast geschafft. Diese Erkenntnis weckte noch einmal eine Menge Energie. Für unsere Verhältnisse sprinteten wir geradezu zum Pass. Als wir die Fahnen aus der Ferne erkennen konnten, setzten unsere Körper einen Glückshormoncocktail frei, wie wir ihn noch nie erlebt hatten. Was für ein Gefühl! Wir hatten es geschafft! Nachdem wir in den letzten Stunden und Tagen wieder und wieder über unsere Grenzen hinausgewachsen sind, waren wir endlich am Ziel angekommen. „YEEEES!“, schrie nun auch ich. 🙂

Geschafft5.415 m Höhe – was für eine Leistung! Wir sind immer noch verdammt stolz auf uns!

Pass

Die kleinen bunten Flaggen sind übrigens tibetische Gebetsflaggen. Auf ihnen steht das buddhistische Mantra „Om mani padme hum“ geschrieben. Meistens werden sie so hoch wie möglich aufgehängt. Dort bleiben sie, bis sie sich komplett aufgelöst haben. Der Wind soll das Mantra zu den Göttern tragen. Das Mantra steht für verschiedene Stufen, die ein Einzelner meistern muss, um ins Nirvana zu gelangen. So hat mir ein Mandalameister in Kathmandu erklärt, dass die verschiedene Silben für folgende Dinge stehen:

Om = Erlangen von Großzügigkeit = Reinigung des Egos

Ma = Erlangen von Moral = Reinigung von Eifersucht

Ni = Erlangen von Geduld = Reinigung von Begierde

Pad = Erlangen von Eifer = Reinigung von Vorurteilen

Me = Erlangen von Entsagung = Reinigung von Gier

Hum = Erlangen von Weisheit = Reinigung von Hass

Gebetsflagge

Nach einer Weile auf dem Pass wurde es nun Zeit für den Abstieg. Wir hatten ein verdammt großes Glück. Obwohl wir erst nach 13:00 Uhr die Spitze erreicht hatten, war keine Wolke am Himmel. Es war zwar windig, doch wir hatten den ganzen Tag über Sonnenschein.

Der Abstieg stellte sich, nachdem die Euphorie über den Erfolg abgeklungen war, als recht anstrengend heraus. Es war glatt und wir waren fix und fertig. Außer dem Snickers hatten wir nichts gegessen und den Apfelkuchen konnten wir in unserem Zustand beim besten Willen nicht zu uns nehmen. Irgendwie hatten wir es dann aber doch geschafft, in Sichtweite zu Muktinath zu kommen. Dort sahen wir eine Art Schlittenspur am Hang, den wir herunter mussten. Da alles überblickbar war, zahlten sich nun unsere Regenjacken doch noch aus. Wir packten sie aus, setzten uns auf sie und nutzten sie wie einen Schlitten, um den Berg herunter zu rutschen. Nun hatten wir es fast geschafft.

Tag 12: Ankunft in Muktinath – 3.800 m

Im kleinen Dorf Charabu sagte man uns, wir hätten nur noch eine Stunde vor uns. Das war gut, denn es war nun schon bald 18:00 Uhr. Wir würden also gerade noch so im Hellen ankommen. Als wir das Dorf betraten, empfing uns eine Gruppe Wanderer, die den Annapurna Circuit andersherum liefen und quetschten uns über den Pass aus.

Kurzer Tipp: Wandert den Annapurna Circuit immer gegen den Uhrzeigersinn. Thorang La Pass ist im Uhrzeigersinn fast nicht machbar!

Wir checkten im erstbesten Teehaus ein, schleppten uns noch in die Dusche und fielen direkt, ohne Abendessen, ins Bett. So müde war ich noch nie im Leben. 😀

Nach all dem wundert es uns übrigens nicht, dass wir beide echt abgenommen haben. Dieser Treck ist effektiver als jede Diät. 😛

Tag 13: Weg nach Pokhara – 1.400 m

Da wir beide eine medizinische Vorgeschichte mit unseren Knien haben, war der Weg hier für uns zu Ende. Der Abstieg von Thorong La Pass war schon mehr als genug für unsere zerbrechlichen Beine. 😀

Also entschieden wir uns dazu, von Muktinath mit dem Jeep nach Pokhara zu fahren. Diese fuhren aber angeblich nicht mehr am selben Tag, weshalb wir in einem einheimischen Bus runter gefahren sind. Zum Abschluss nochmal eine sehr dumme Idee. Die Fahrt hatte es wirklich in sich. Wir saßen ganz hinten, weshalb man jeden Hubbel und jedes Schlagloch besonders arg spürte. Dazu kommt, dass der alte Bus keinerlei Federung besaß und die Straße eigentlich nur aus besagten Hubbeln und Schlaglöchern bestand. Unsere Sitzfläche lag lose auf einer Metallstangenkonstruktion. Die komplette Fahrt über schüttelte es uns so heftig durch, dass unsere Sitze immer wieder ihren Platz verließen und wir auf die Stangen knallten oder unsere Köpfe gegen die Gepäckablage über uns hauten. Andere sind sogar von ihren Sitzen gefallen und konnten sich nur durch die Hilfe Dritter wieder hinsetzen.

Wir fuhren ganze 17 Stunden in diesem Bus. Dabei durchquerten wir Bäche und rüttelten sogar eine Weile im Bachbett entlang, wir rasten nur knapp an Abhängen vorbei und quälten uns durch Matsch. Tatsächlich steckten wir nach 14 Stunden Qual für ganze zwei Stunden, kurz vor dem Ziel, fest, da sich ein anderes Auto festgefahren hatte. Von einem Platten, bis hin zum rückwärts eine Serpentine, direkt neben einer riesigen Schlucht hochfahren, war hier echt alles dabei. Es war wirklich die Hölle.

Drecks Bus

Etwa gegen 3:00 Uhr morgens waren wir offiziell runter vom Annapurna Circuit und in Pokhara. Allerdings war es nun zu spät, noch ein Hotel aufzusuchen. Ein indischer Mönch, der im Bus mit uns gelitten hatte, kannte ungefähr den Weg zur Bushaltestelle, von der wohl auch nachts Busse nach Kathmandu fahren. Was hatten wir zu verlieren? Wir folgten ihm und wanderten durch Pokhara (wo übrigens gefühlt jedes Haus einen Wachhund hat, die nächtliche Passanten nicht wirklich mögen).

Und tatsächlich erreichten wir gegen 4:00 Uhr einen Busbahnhof, wo uns nur ein paar Minuten später ein Bus nach Kathmandu mitnahm. Nach insgesamt 24 Stunden Fahrt kamen wir dann endlich, total übermüdet, fertig und stinkend in unserem Hotel an. Hätten wir das gewusst, wäre das Herabsteigen auch mit kaputten Knien die bessere Alternative gewesen. 😀

Trotz des holprigen Endes war diese Erfahrung aber einfach der Wahnsinn. Wir werden uns für immer an dieses Abenteuer erinnern. 🙂

6 Kommentare

  1. Da hat sich einiges geändert, seit ich 1992 den Annapurna Circuit versucht habe! Schöne Fotos! Und diese schönen Hängebrücken! Leider habe ich damals wegen Höhenkrankheit umkehren müssen. Trotzdem war es ein großartiges Erlebnis. Auf warme Duschen und Wäsche waschen habe ich überwiegend verzichtet, der Umwelt zuliebe.
    Beste Grüße
    Ulrike

    1. Hallo Ulrike,
      das glaube ich dir gerne. Wir haben auch beobachtet, dass fast in jedem Dorf gebaut wird.
      Bzgl. der Duschen, nutzen die meisten inzwischen Solarduschen und nehmen nur im Falle von schlechtem Wetter Gas zum Heizen.
      Liebe Grüße
      Tobias

  2. Wahnsinn ihr zwei. Vielen Dank für diesen tollen Bericht und die Fotos.
    Eine tolle Leistung. Bleibt weiterhin gesund und passt auf euch auf.
    Viele liebe Grüße
    Sandra mit Niki

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