Tunnel

#56 Die Cu Chi Tunnel und der Vietnamkrieg

Nachdem wir Singapur verlassen hatten, führte uns unsere Reise nach Vietnam. Genauer gesagt, war unser erster Stopp Ho Chi Minh City, wo wir auch schon unseren ersten Ausflug geplant hatten. Dieser führte uns zu den Cu Chi Tunnel.

Ho Chi Minh

Um zu verstehen, was diese Tunnel überhaupt sind und wofür sie gebaut wurden, muss man die Geschichte des vom Krieg geplagten Vietnams kennen. Nun ist dies natürlich kein Geschichtsblog. Dennoch erachte ich die folgenden Informationen für sehr wichtig, um die Cu Chi Tunnel richtig einordnen zu können. Ich versuche mich aber kurz zu fassen.

Der Kampf um Vietnams Unabhängigkeit

Mitte des 19. Jh. hatten die Franzosen ein Auge auf Vietnam geworfen. Die Kolonialmacht wollte ihren Einfluss in Asien weiter ausbreiten. Bereits 1883 stand das ganze Land unter französischer Kolonialherrschaft. Sie sorgten für die nötige Infrastruktur, um das Land ausbeuten zu können. Alle Aufstände gegen die Besatzung wurden blutig niedergeschlagen.

1941 gründete der Kommunist Ho Chi Minh die Bewegung Viet Minh und koordinierte damit den Widerstand. Doch während des Zweiten Weltkriegs, als Frankreich geschwächt war, mussten diese den Japanern ein Durchmarschrecht sowie die Nutzung der Infrastruktur gestatten. Dadurch war Vietnam nun plötzlich zwei Kolonialmächten ausgesetzt und die Lage verschlimmerte sich. Während dieser fünfjährigen Phase starben zwei Millionen Vietnamesen an Hunger.

Nach der Kapitulation Japans 1945 nutzte Ho Chi Minh die Gunst der Stunde und erklärte Vietnam, in Hanoi, für unabhängig und wurde erster Präsident der Demokratischen Republik Vietnam. Das passte den Franzosen natürlich gar nicht. Nachdem sie sich etwas vom Zweiten Weltkrieg erholt hatten, begannen sie ihren vermeintlichen Anspruch auf das Land mit Unterstützung der USA gegen die schlecht bewaffneten Vietnamesen durchzusetzen. Diese bekamen nun aber Rückendeckung aus China, weshalb die Franzosen 1954 ihre kolonialen Interessen aufgeben mussten. 

Doch diese Niederlage für die Franzosen war leider kein Sieg für Vietnam. Das kommunistische Land war nun nämlich ins Fadenkreuz der USA geraten. Das Land wurde in Süd- und Nordvietnam geteilt. Im Süden setzten die USA den Katholik Ngo Dinh Diem ein, der für diese Propaganda für den Kapitalismus machen sollte. Den Norden regierten die Kommunisten um Ho Chi Minh. Mit der Zeit herrschte in Südvietnam Chaos und die Bevölkerung war mehr als unzufrieden, weshalb sich die, in der Bevölkerung anerkannte, Vietcong gründete. Hierbei handelte es sich um südvietnamesische Befreiungskämpfer, die vom Norden unterstützt wurden.

Der vermutlich beeindruckendste friedliche Widerstand ging allerdings von den unterdrückten Buddhisten aus. Diese verbrannten sich öffentlich, ohne auch nur eine Miene zu verziehen. Sie waren so sehr von ihrer Religion und von Reinkarnation überzeugt, dass ihnen der vorübergehende Verlust ihres Körpers egal war. Von diesem Widerstand, aber auch von weiteren Vorfällen gab es massenhaft Bildmaterial, was eine gigantische, weltweite Friedensbewegung auslöste.

Mönch verbrennt sich selbst

 

 

 

 

 

 

 

Der von den USA installierte Ngo Dinh Diem, der inzwischen immer mehr diktatorisch herrschte, wurde schließlich 1963 bei einem von der CIA unterstützten Militärputsch getötet. Von nun an war Südvietnam eine Militärdiktatur.

Der Krieg gegen die USA

Da die Spannungen im Land immer größer wurden, inszenierten die USA einen Angriff auf eines ihrer Schiffe, welches sich unrechtmäßig im Golf von Tonkin (Nordvietnam) aufhielt. Dies gab ihnen einen Grund, dem Norden offiziell den Krieg zu erklären. Die Amerikaner hatten große Angst, dass bei einem Sieg der Kommunisten, sich deren Ideologie wie ein Flächenbrand ausbreiten würde.

Die USA warfen in den nächsten zehn Jahren um ein Vielfaches mehr Bomben auf Vietnam ab, als die komplette Bombenlast des Zweiten Weltkrieges. Dazu kamen Waffen wie Napalm zum Einsatz, einem klebrigen Benzin-Gemisch, welches an dem Opfer haften bleibt und es verbrennt.

NapalmangriffBei einem solchen Angriff ist das vermutlich bekannteste Bild des Krieges entstanden, welches gerade zur heutigen Zeit wieder sehr aktuell ist. Das nackte Mädchen im Bild ist Kim Phuc Phan Thi, alias das „Napalm Girl“. Sie hat ihre verbrannten Kleider zurück gelassen und rennt weinend mit schweren Wunden um ihr Leben. Damals hatte der Fotograf sie in ein Krankenhaus gebracht, wo ihr das Leben gerettet werden konnte. Heute ist Kim Phuc Phan Thi UNESCO-Botschafterin und betreibt eine Stiftung für vom Krieg versehrte Kinder. Die 55 jährige Friedensaktivistin wurde am 11.02.2019 mit dem Dresdner Friedenspreis ausgezeichnet. Trotz, oder gerade wegen ihrer Vergangenheit reist sie umher und berichtet von ihrer Vergangenheit, predigt dabei aber auch Versöhnung und Vergebung. (mehr dazu)

Aber auch die andere menschenrechtswidrig verwendete „Waffe“, Agent Orange, ist wieder aktuell. Bei Agent Orange handelt es sich um ein Entlaubungsmittel, welches von Monsanto und der Bayer AG hergestellt wurde. Die Amerikaner nutzten es großflächig, um dem Vietcong die Verstecke zu nehmen. Dafür schütteten sie riesige Mengen aus Flugzeugen auf die Wälder und Felder. Doch Agent Orange hat noch einen weiteren Effekt. Es beschädigte das Erbgut der damit in Kontakt gekommenen Personen. Dadurch gibt es bis heute noch Missbildungen bei neugeborenen Vietnamesen.

Agent Orange

 

 

 

 

 

 

 

Die USA, die abgestritten hatten, dass der Effekt auf das Entlaubungsmittel zurückgeht und keine Entschädigung leisten wollten, waren jetzt in der Bredouille. Der Grund dafür war Dewayne Johnson. Er hatte über Jahre mit dem ebenfalls von Monsanto produzierten, glyphosathaltigen Roundup gearbeitet und einen unheilbaren Krebs entwickelt. Als Entschädigung wurden ihm gerichtlich 289 Millionen $ zugesprochen. Vietnam zieht dies nun als Präzedenzfall her, um ebenfalls Schadensersatz geltend zu machen.

Bis heute sind viele betroffenen Flächen verseucht und nicht für Landwirtschaft etc. nutzbar.

Friedensbewegung

Diese Bilder (und viele weiteren) gingen weltweit durch die Medien und vor allem ein Mann wagte es, eine riesige Friedensbewegung loszutreten, die letztlich auch den Vietnamkrieg beenden sollte. Dieser Mann war Dr. Martin Luther King: “I knew that I could never again raise my voice against the violence of the oppressed in the ghettos without having first spoken clearly to the greatest purveyor of violence in the world today — my own government.” (Deutsch: Ich wusste, dass ich meine Stimme niemals für die mit Gewalt Unterdrückten in den Ghettos erheben konnte, wenn ich mich nicht zuerst klar gegen den heutigen größten Verursacher von Gewalt auf der Erde stellen würde – meine eigene Regierung.)

Martin Luther King

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es mobilisierte sich ein weltweiter Protest gegen den Krieg, aus dem auch die Hippie-Bewegung resultierte.

Hippie Bewegung

 

 

 

 

 

 

 

 

Obwohl die USA ganz klar die (technologische) Übermacht hatten, konnten sie den Widerstand der Vietcong nicht brechen. Das und der Druck der immer stärker werdenden Friedensbewegung, veranlasste die Amerikaner 1973 zum Abzug aller Truppen. Zwei Jahre später musste auch Südvietnam kapitulieren. Damit wurde Vietnam 1976 endlich zu einem unabhängigen Land. Heute findet man die vietnamesische sowie die kommunistische Flagge überall im ganzen Land.

Flaggen

Cu Chi Tunnel

Die Cu Chi Tunnel, welche wir nahe Ho Chi Minh City besucht haben, stehen für die gezeigte Hartnäckigkeit der Vietcong. Diese legten ein 200 km langes, dreistöckiges unterirdisches Tunnelsystem an, aus dem sie immer wieder Guerillaangriffe gegen die Amerikaner starteten. Die Tunnel hatten dabei gerade mal eine Höhe von 80 cm und eine Breite von 60 cm. In ihnen gab es kein Licht und es war enorm schwül und heiß. Belüftet wurden sie durch künstliche Termitenhügel, die auf kleine Öffnungen in den Systemen gebaut wurden. Sie sollten die Öffnungen schützen und verbergen.

Luftversorgung

In diesem Tunnelsystem kämpften und lebten Schätzungen zufolge 18.000 Widerstandskämpfer für Jahre. Doch trotz der Qualen einer solchen Kriegsführung und unzähligen Versuchen der Amerikaner, das Tunnelsystem zu zerstören, konnten die Vietcong weiterhin Widerstand leisten. Dabei mussten sie dem Einleiten von Giftschlangen, Ratten, Ungeziefer, Gas und Weiterem standhalten und es schaffen, sich in einem verseuchten Kriegsgebiet zu ernähren und zu versorgen. Unglaublich.

Bei unserer Führung durch das Gebiet trafen wir auf einen Veteranen, der berichtete, wie er selbst, durch eine Granate verwundet, in den Tunneln überlebte. Noch heute würde der Scanner am Flughafen bei ihm Alarm schlagen, scherzte er.

Außerdem wurden uns einige der Fallen gezeigt, mit denen sich die Vietcong wehrten. Meistens handelte es sich dabei um Trittfallen, die aus einfachen Mitteln gebaut oder von der Jagd zweckentfremdet wurden.

FalleAuch das Highlight, die eigentlichen Tunnel, durften wir besichtigen. Der Großteil des Systems ist inzwischen eingestürzt und nicht mehr begehbar. Doch ein Teil wird für Touristen aufrechterhalten. Dieser ist allerdings etwa um ein Drittel vergrößert worden, damit er auch für weiße Touristen begehbar wird. Nachdem ich durch dieses 90 m lange Stück gekrochen bin, war ich schweißgebadet. In dem Tunnel zu leben, grenzt an einen Saunagang. Dabei handelte es sich hierbei nur um ein 90 m langes Stück, welches „normal“ belüftet ist. Die Leistung der Vietcong, hier nicht nur zu überleben, sondern zu kämpfen, ist einfach unvorstellbar. 

TunnelUm so mehr musste ich mich am Ende der Führung aufregen. Nachdem wir alle für knapp zwei Stunden für die Gräueltaten dieses Krieges sensibilisiert wurden, wurde uns angeboten, mit scharfen Kriegswaffen auf eine Wand zu schießen. Juliane und ich und ein paar andere taten dies als geschmacklos ab und lehnten ab. Der Großteil der Besucher aber reagierte wie ein Kind an Weihnachten. „AK47? No! I want to have something bigger!“ Mit einem unglaublichen Lärm ballerte ein Großteil der Gruppe wie wild um sich. Unsere Empörung war riesig. Vor allem, als wir herausgefunden haben, dass ein anderer Teil der Tunnel heute zum Paintball-Spielen gebucht werden kann, fragten wir uns, was hier falsch läuft. 

Die Tour war gut, doch das Ende ließ mich am gesunden Menschenverstand zweifeln. Wie seht ihr das? Seht ihr das Rumballern mit Kriegswaffen oder das Spielen von Krieg an so einem Ort als geschmacklos an oder ist es vertretbar?

 

2 Kommentare

  1. Für uns Europäer ist das Herumballern an so einem Ort nicht wirklich nachvollziehbar. Aber ich vermute, dass die Leute dort so arm sind und das Geld der Touristen brauchen, um (über)leben zu können. Deshalb muss man wohl nachsichtig sein und Verständnis für die Betreiber haben.
    Weniger Verständnis habe ich für die Touristen, die Geld dafür ausgeben, um mit Waffen Spaß zu haben und das auch noch an diesem besonderen Ort.

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