Supertree

#55 Singapur – die „Stadt im Garten“

Singapur hat uns richtig aus den Socken gehauen. Es gibt so viel über diese Stadt zu erzählen, dass dieser Blogeintrag etwas länger wird.

Der Merlion

Merlion

Singapur ist ein Stadtstaat, welcher sich auf einer Insel südlich von Malaysia befindet. Bis 1819 war diese nur von ein paar malaiischen Fischern besiedelt und wurde dann von den Briten kolonialisiert und als Warenumschlagsort für die Geschäfte mit China genutzt. Während des zweiten Weltkrieges war Singapur zwar drei Jahre unter japanischer Besatzung, doch nach der Kapitulation blieben die Briten vor Ort, bis Singapur 1963 seine Unabhängigkeit erklärte. Heute zählt Singapur zu den reichsten Ländern weltweit, ist neben Hongkong der wichtigste Finanzplatz Asiens, gilt als sauberste Stadt der Welt und hat noch weitere unzählbare Titel inne. All dies verkörpert das Wahrzeichen der Stadt: der Merlion. Die wasserspeiende Statue besteht aus halb Fisch und halb Löwe und widerspiegelt damit sowohl die Vergangenheit, als auch die Gegenwart der Metropole.

Nachts, im Rahmen der i Light Show, wird die Statue bestrahlt und man kann das Wachstum der Stadt als Lichtshow erkennen.

Merlion ilight

i Light

ilight

Apropos i Light: unter i Light versteht sich das größte, nachhaltigste Lichtfestival Asiens mit 33 verschiedenen Installationen. Neben dieser Kunst, die allesamt aus geup- oder recycelten Materialien bestehen, setzt sich das Projekt für eine nachhaltigere Lebensweise ein. Zum Beispiel bewegt es Unternehmen und Besucher dazu, auf Strohhalme zu verzichten, die Klimaanlagen um ein Grad wärmer zu stellen und unnötige elektrische Geräte und Lichter auszuschalten, um Strom zu sparen.

Die verschiedenen Kunstprojekte drehen sich meistens um verschiedene Facetten der Stadt.

So stehen zum Beispiel diese beiden Werke für den schnellen Entwicklungssprung, den die Stadt gemacht hat.

Links im Bild sieht man Reusen, die die Fischerkultur des frühen Singapurs symbolisieren sollen. Die LEDs springen dabei so schnell von Reuse zu Reuse, dass es einem wie ein Zeitsprung vorkommt, weshalb der Künstler dieses Werk auch „Time Traveller“ genannt hat. Das Bild auf der rechten Seite zeigt eine Brücke, die das Olympiastadion mit dem Marina Bay Sands Gebiet verbindet. Auch hier zeigen die LEDs eine „Zeitreise“. Daher der Name: „The Time Vortex“.

Ein anderes Projekt steht für die multikulturelle Welt, die Singapur abspiegelt. Der „Squiggle“ besteht aus 200 m Neonröhren, die stetig ihre Farbe wechseln.

Squiggle

Kultur

Ca. 5,6 Millionen Menschen leben in Singapur, auf nur 719 m². Das ist die dreifache Bevölkerung Hamburgs auf einer etwas kleineren Fläche. Den Großteil bilden dabei Malaien, Chinesen und Inder. Tatsächlich gibt der Staat hier sogar die Quoten vor. Gebäude in öffentlicher Hand müssen zu einem bestimmten Prozentsatz auf diese drei Bevölkerungsgruppen aufgeteilt sein. Gesprochen werden hier vier Amtssprachen: Englisch, Chinesisch, Malaiisch und Tamil, wobei man sagen muss, dass die „Hauptsprache“ Englisch ist. Durch den chinesischen Einfluss wird hier aber auch Mond-Neujahr gefeiert. Wir hatten Glück und durften daher dieses Jahr gleich zwei Feuerwerke sehen. 😉

Chinesisches Neujahr

Um das Zusammenleben auf so engem Raum zu ermöglichen, ist der Singapurische Staat sehr streng, was seine Gesetze und Strafen angeht. Auf Drogenbesitz steht zum Beispiel bis heute noch die Todesstrafe. Die Gesetze sorgen aber auch dafür, dass Singapur trotz der dichten Population als sauberstes und sicherstes Land der Welt gilt. Hier ist zum Beispiel verboten, auf den Boden zu spucken, Essen und Getränke in öffentlichen Verkehrsmitteln zu konsumieren oder zu rauchen (nur an ganz wenigen speziellen Orten gestattet).

Der ÖPNV in Singapur ist übrigens ebenfalls einer der besten der Welt und dabei sogar recht günstig. Das muss er aber auch sein, denn Singapur fährt eine Autopolitik, wie man sie sich in westlichen Städten nur wünschen könnte. Singapur hat sich als Ziel gesetzt, das nachhaltigste und grünste Land der Welt zu werden. Aufgrund dieses Ziels und der Tatsache, dass es sich eine Stadt eigentlich nicht leisten kann, mehr Straßenflächen als Wohnflächen zu besitzen, hat Singapur eine Autoobergrenze beschlossen. Aus der deutschen autoverrückten Perspektive, politischer Selbstmord. In einem grün aufgestellten Land wie Singapur gab es noch nicht einmal eine Demonstration dagegen. Hier hat man verstanden, dass Autos Luxusgüter sind. Wer hier ein Auto anmelden möchte, muss erst ein altes abmelden. Wer diese Barriere gemeistert hat, muss bis zu 80.000 Dollar für ein Zulassungsdokument aufbringen, welches ihm gestattet, zehn Jahre lang ein Auto zu besitzen. Für jedes weitere Jahr fallen nochmals zehn Prozent „Altautozuschlag“ an. Zudem kommt ein saftiges Mautsystem und Parkgebühren. Parkplätze und -häuser nehmen nur unnötig Platz in einer Stadt weg.

Die Regierung geht noch weiter. Ihr Ziel ist es, die Beziehung zum Auto zu ändern und gar keine Autos mehr in der Stadt zu haben – von Taxis und Lieferverkehr mal abgesehen. Es ist cool, kein Auto zu haben – das ist das neue Narrativ. Nicht: Ich kann mir kein Auto leisten, sondern ich verzichte ganz bewusst. Auto ist nicht länger Status. Kein Auto ist Status, erfolgreiche Menschen brauchen kein Auto. Singapur entkoppelt Autobesitz und Mobilität. Im Gegenteil: Auto ist Stau, Stillstand, schmutzige Luft. Das Geld, welches durch diese Maßnahmen eingenommen wird, investiert die öffentliche Hand fast ausschließlich in den öffentlichen Nahverkehr und in die Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber des Klimas und der Natur.

Verschiedene Projekte zeigen Alternativen für eine grüne Stadt auf. Kein Platz? Schlechte Ausrede! Dachgärten und vertikale Gärten sind hier quasi normal. Dachgarten

Unter anderem wird Singapur auch deswegen „Stadt im Garten“ genannt. Der Hauptgrund für den Wechsel von der Stadt der Gärten zur Stadt im Garten ist aber wahrscheinlich folgender:

Gardens by the Bay

Gardens by the Bay

Die Gardens by the Bay waren unser absolutes Highlight in Singapur. Hierbei handelt es sich nicht „nur“ um einen 101 ha großen Garten, sondern um ein 1,035 Milliarden (!) teures futuristisches, 100 Prozent nachhaltiges Grünflächen-Projekt, welches sich in einer Bucht zwischen Meer und Downtown befindet. Neben dem „Garten“ beinhaltet das Projekt zwei riesige Gewächshäuser. Eines davon ist das größte der Welt und zeigt Pflanzen aus fast allen Klimaregionen weltweit.

Flowerdome

Das andere Glashaus beinhaltet die Cloud Forest. Dieser Ort war für uns sogar noch beeindruckender als der Flowerdome. Er besteht aus einem künstlichen Berg, mit dem größten künstlichen, Indoor-Wasserfall der Welt und repräsentiert tropische Berge zwischen 1.000 und 3.000 m Höhe sowie ihre Flora und Fauna.

Wasserfall

Doch das ist noch nicht alles. Mit einem Aufzug fährt man sieben Stockwerke auf den Berggipfel und wandert diesen herunter. Im Berginneren findet man dabei mehrere Ausstellungen zum Thema Tropenberge, Höhlen und vor allem zum Klima und dem Klimawandel.

Höhle

Vor allem die Beiträge zum Klima sind wirklich beeindruckend. Unter anderem gibt es ein Kino, in welchem die Konsequenz durch jedes Grad Erwärmung gezeigt wird, einen Raum, in dem über Umweltverschmutzung und das größte Massensterben jeher, welches gerade durch den Menschen gemacht, stattfindet, berichtet wird und vieles mehr.

Kino

Vor allem lässt Singapur einen nicht mit diesen Informationen alleine, sondern bietet Lösungen an, die ein jeder tun kann, um seinen Teil dazu beizutragen. Wirklich ein unglaublicher Ort. Doch auch das ist noch nicht alles, was die Gardens by the Bay zu bieten haben.

Aufruf

Das Wahrzeichen dieses besonderen Ortes ist nämlich der Supertree Grove. Die Supertrees heißen nicht zum Spaß so. Der Name ist hier Programm. Die 25 bis 50 m hohen künstlichen Bäume sind nämlich nicht nur schön anzusehen. Ihr „Baumstamm“ bietet durch einen vertikalen Garten seltenen Pflanzen einen Lebensraum.

Supertree

Außerdem kommen bei den Supertrees viele ökologische Technologien zum Einsatz, die sie quasi wie ein Baum funktionieren lassen. Ihre trichterförmige Krone sammelt Regenwasser – allerdings in solchen Mengen, dass es für die vollständige Bewässerung der Hallen auf dem Gelände reicht. Dazu nutzen sie Sonnenkollektoren, die die gesamte Anlage mit Energie versorgen können und betreiben ein luftreinigendes Filtersystem. Einfach unglaublich!

Für Schaulustige bieten die Bäume sogar noch mehr. Wer möchte, fährt mit dem Aufzug auf den Skywalk, eine Brücke, die die Bäume miteinander verbindet und genießt den Ausblick auf den Park und die Skyline.

Skywalk

Skywalk

Wer den Park nachts besucht, bekommt zusätzlich noch eine mega Lichtshow geboten, bei der die Bäume in verschiedenen Farben leuchten und blinken. Unvergesslich! Lichtshow

Neben all diesen Highlights finden sich im Gardens by the Bay noch Spielplätze, Restaurants, sehr viel Natur und Kunst, wie zum Beispiel dieses riesige Baby, welches auf einer Hand balanciert. Es soll das ausgeglichene Leben darstellen.

Baby

Technologie

Wie fortschrittlich Singapur ist, ist wohl offensichtlich. Aber auch wie technologisch fortschrittlich, erfahrt ihr hier. Als Bild hierfür eignet sich unser Hostelbett ziemlich gut. Wir hausten in Singapur nämlich in sogenannten Spacepods. Das sind quasi kleine Zimmer in einem Zimmer. So hat jeder Gast in einem Mehrbettzimmer seine Privatsphäre, seine eigene Klimaanlage, Ladestation, Lichtfarbe, etc.

Aber mal im Ernst: Neben dem Merlin ist das Marina Bay Sands Hotel das Wahrzeichen der Stadt. Nur wenige wissen aber, dass dieses 55 Stockwerke hohe Gebäude in gerade mal fünf Jahren geplant und gebaut wurde. Dabei hält es alle internationalen Ökozertifizierungen ein und kompensiert seinen CO2- Fußabdruck durch verschiedene Projekte. Das Hotel besteht aus drei Wolkenkratzern, die durch ein Schiff als Dachterrasse verbunden sind. Dieses Schiff beinhaltet zum Beispiel einen 146 m langen Infinity Pool.

Skyline

Außerdem nutzt die Stadt Roboter, die genauso aussehen wie Schwäne, um ihre Wasserqualität vollkommen automatisch zu kontrollieren. Diese funktionieren über das kostenlose Stadt-WLAN, schwimmen in allen Gewässern, nehmen Proben und werten diese aus.

Es gibt hier sogar intelligente Mülleimer.

Müll

Wenn es irgendeine, für die Natur sinnvolle, Technik gibt, Singapur nutzt sie sicherlich.

Tourismus

Neben Umwelt- und Klimaschutz ist auch der Tourismus sehr wichtig für die offiziell gastfreundlichste Stadt der Welt. Ca. 18 Millionen Menschen besuchen die Metropole pro Jahr. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind oben sicherlich schon genannt.

Für Familien ist allerdings auch Sentosa Island interessant. Diese künstliche Insel beherbergt Madame Tussauds, die Universal Studios, Wasserparks, Golfplätze, Spa Ressorts, ein Casino und vieles mehr. Uns war die Insel allerdings zu teuer und nicht interessant genug, daher kein konkretes Feedback hierzu.

Auch Little India und China Town, die als Sehenswürdigkeiten aufgeführt werden, sind nichts, was in Singapur besser als in anderen Städten wäre. Daher nur besuchen, wenn noch Zeit übrig ist.

Little India buntes Haus

Wer aber sowieso in der Stadt ist, kann sich noch die Wasserspiele des Brunnens des Reichtums „Fountain of Wealth“ ansehen. Vor allem Juliane war hiervon ganz begeistert.

Brunnen des Reichtums

Auch die zum UNESCO Kulturerbe gehörenden Botanischen Gärten sollen sehr schön sein. Doch dafür hatten wir am Schluss nicht mehr genug Zeit.

Touristen in Singapur haben in so einer multikulturellen Stadt die Möglichkeit, quasi alles an Essen zu bekommen. Von deutschen Restaurants wie Hans im Glück, bis zu diversem asiatischen Streetfood ist alles zu haben. Für letzteres können wir die Hawker Center empfehlen. Das sind Food Courts, denen die Stadt eine anständige Infrastruktur gebaut hat. Hier wird man nach dem Streetfood keine Magenprobleme bekommen. Kühlgeräte, sauberes Wasser etc. sind alles vorhanden. Die Preise sind aber trotzdem klein. 🙂

Hawker center

Alles Gold was glänzt?

Das war nun natürlich viel Lob für dieses Land. Trotzdem sollte man erwähnen, dass Singapur seit ca 60 Jahren von einer Partei regiert wird. Hier herrscht zwar Wahlpflicht, doch wenn nur eine Partei antritt, kann man nicht falsch wählen. 😉 Der Vorteil für die Regierenden ist dadurch aber, dass diese sehr langfristig, über Legislaturperioden hinaus, planen können und keine Rücksicht auf Verluste nehmen müssen. In Singapur herrscht quasi eine Art „Wohlfühl- Ökodiktatur“, die ihre Ideale mit harten Strafen und Gesetzen durchsetzt. Teilweise ist es sogar schwierig, hier über Politik zu reden, da man nichts Falsches sagen will. Doch trotz allem ist die Bevölkerung dieses Landes sehr mit der Situation zufrieden. Die Lebensstandards, die hier geschaffen wurden, sind einfach viel zu gut.

Folgender englische Spruch zu Singapur bringt dieses zweischneidige Schwert gut zum Ausdruck: „Singapore is a fine country.“

Für mich persönlich ist klar, auch wenn so ein System in einem größeren Land wie Deutschland nicht funktionieren würde, könnte sich die deutsche/ westliche Politik doch etwas mehr von dem Idealismus Singapurs abschauen.

Singapur

 

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